Deutschlandflaggen sorgen fur Aufregung in Nachrodt-Wiblingwerde – Staatsschutz ermittelt wegen möglicher rechter Aktion
In der kleinen sauerländischen Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde (Nordrhein-Westfalen) sorgt derzeit eine ungewöhnliche und umstrittene Aktion fur Aufsehen: Über das Wochenende hinweg wurden an zahlreichen öffentlichen Plätzen, Laternen und Gebäuden Deutschlandflaggen aufgehängt. Was zunächst nach einer patriotischen Geste aussah, hat sich inzwischen zu einem möglichen Fall politisch motivierter Provokation entwickelt.
Die Polizei und der Staatsschutz ermitteln, da der Verdacht besteht, dass die Aktion in Zusammenhang mit einer rechten Online-Kampagne steht.

Über Nacht gehisste Flaggen und ein provokantes Schild
Anwohner entdeckten die schwarz-rot-goldenen Fahnen bereits am fruhen Samstagmorgen. Neben den Flaggen fand die Polizei auch ein Schild mit der Aufschrift „Nationalstolz ist kein Verbrechen“ – ein Slogan, der laut Experten seit einiger Zeit in rechtsextremen Online-Foren kursiert.
„An mehreren Orten im Gemeindegebiet hingen die Fahnen sichtbar an Laternenmasten, auf Plätzen und in der Nähe öffentlicher Gebäude“, erklärte Polizeisprecher Lukas Borowski vom Märkischen Kreis. „Wir haben bislang keine Hinweise darauf, wer dafur verantwortlich ist, aber ein politisches Motiv liegt nahe.“
Da keine Gruppe oder Einzelperson bislang die Verantwortung ubernommen hat, pruft die Polizei eine Verbindung zu der Internetkampagne #hissdieflagge, die in rechten Netzwerken auf Plattformen wie Telegram und X (ehemals Twitter) verbreitet wird. Diese Kampagne ruft Unterstutzer dazu auf, deutschlandweit Flaggen zu hissen, um angeblich „ein Zeichen fur Heimatliebe“ zu setzen – Kritiker sehen darin jedoch eine gezielte Vereinnahmung nationaler Symbole durch extremistische Kreise.

Staatsschutz ubernimmt die Ermittlungen
Der Staatsschutz der Polizei Hagen hat die Ermittlungen inzwischen ubernommen. Ziel sei es, die Urheber zu identifizieren und den Hintergrund der Aktion zu klären. „Wenn politische oder extremistische Motive eine Rolle spielen, ist das ein Fall fur uns“, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde.
Die Beamten untersuchen, ob ähnliche Aktionen in anderen Kommunen im Märkischen Kreis oder daruber hinaus stattgefunden haben. In den vergangenen Monaten hatte es in mehreren Regionen Deutschlands vergleichbare Vorfälle gegeben, bei denen Nationalflaggen gezielt im öffentlichen Raum angebracht wurden – oft begleitet von identischen Parolen.
Burgermeisterin reagiert mit deutlicher Kritik
Die Burgermeisterin von Nachrodt-Wiblingwerde, Birgit Tupat, zeigte sich uber die Vorfälle irritiert und besorgt. Sie betonte, dass das Hissen der deutschen Flagge auf privatem Grund selbstverständlich erlaubt sei, die massenhafte und unangemeldete Beflaggung im öffentlichen Raum aber eine andere Qualität habe.
„Hier geht es offenbar nicht um Patriotismus, sondern um eine bewusste politische Botschaft“, sagte Tupat. „Unsere Gemeinde steht fur Offenheit, Respekt und Demokratie. Wer nationale Symbole nutzt, um Spaltung zu betreiben, missbraucht diese Werte.“
Auch viele Burgerinnen und Burger reagierten mit Unverständnis. Während einige Anwohner die Aktion als „unnötige Provokation“ bezeichneten, äußerten andere den Wunsch, dass „Patriotismus nicht automatisch in die rechte Ecke gestellt werden sollte“. Dennoch herrscht Einigkeit daruber, dass die Anbringung im öffentlichen Raum ohne Genehmigung unzulässig ist.

Experten warnen vor gezielter Symbolpolitik
Politikwissenschaftler sehen in solchen Aktionen eine bewusste Strategie rechtsextremer Gruppen, um nationale Symbole in den öffentlichen Diskurs zuruckzudrängen und dabei vermeintlich harmlose Gesten fur politische Zwecke zu instrumentalisieren.
„Es geht nicht um die Flagge selbst, sondern um ihre Vereinnahmung“, erklärt Extremismusforscherin Claudia Neumann. „Durch solche Aktionen wird versucht, gesellschaftliche Grenzen zu verschieben – Patriotismus soll wieder mit nationalistischer Rhetorik verknupft werden.“
Gemeinde setzt Zeichen gegen Extremismus
Als Reaktion auf die Ereignisse hat die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde angekundigt, ein klares Zeichen gegen rechte Tendenzen zu setzen. In den kommenden Wochen soll eine Informationsveranstaltung zur Stärkung der Demokratie stattfinden, gemeinsam organisiert mit Schulen, Kirchen und Vereinen.
„Wir lassen uns nicht spalten“, betonte Burgermeisterin Tupat. „Die Farben Schwarz-Rot-Gold stehen fur Freiheit und Demokratie – und das werden wir uns von niemandem nehmen lassen.“
Während der Staatsschutz weiter ermittelt, hat die Gemeinde alle angebrachten Flaggen entfernt. Ob es sich um eine koordinierte Aktion aus dem rechten Spektrum handelt oder um eine lokale Einzelinitiative, ist noch unklar. Sicher ist jedoch: Der Fall von Nachrodt-Wiblingwerde zeigt erneut, wie aufgeladen das Thema nationale Identität in Deutschland bleibt – und wie schnell Symbole zum politischen Zundstoff werden können.




