Afghanen empört uber „Nicht-Einreise-Prämie“ – Verzweifelte Fluchtlinge schreiben offenen Brief an Kanzler Merz
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Afghanen empört uber „Nicht-Einreise-Prämie“ – Verzweifelte Fluchtlinge schreiben offenen Brief an Kanzler Merz

Islamabad/Berlin – Es ist ein Skandal, der Deutschland politisch und moralisch erschuttert: Hunderte afghanische Schutzsuchende, die eigentlich im Rahmen offizieller Aufnahmeprogramme nach Deutschland kommen sollten, berichten, dass ihnen vom Bundesinnenministerium eine Geldprämie angeboten wurde – unter der Bedingung, nicht einzureisen.

Das Angebot hat unter den Betroffenen Empörung ausgelöst. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kritisieren rund 600 Afghaninnen und Afghanen die Entscheidung scharf. Viele von ihnen leben seit Jahren im pakistanischen Exil – in ständiger Angst vor Abschiebung oder Gewalt.

„Wir sind nicht vor Armut geflohen, sondern vor Gewalt und Tod“

In dem zweiseitigen Schreiben, das aus Pakistan an die deutsche Bundesregierung ubermittelt wurde, heißt es wörtlich:

„Wir können nicht zuruck nach Afghanistan. Diese Ruckkehr wurde fur viele von uns brutal und gewaltsam enden. Wir sind nicht vor Armut geflohen, sondern vor Gewalt und Tod.“

Die Unterzeichner fordern, dass Deutschland sich an seine humanitären Zusagen hält. Viele von ihnen hatten bereits eine Aufnahmezusage uber verschiedene Programme erhalten – etwa fur ehemalige Ortskräfte, Frauenrechtlerinnen, Richter, Journalisten und Mitarbeiter internationaler Organisationen.

Seit der Machtubernahme der Taliban im Jahr 2021 leben sie unter prekären Bedingungen in Pakistan, meist ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Mehrere Betroffene berichten, dass sie dort Opfer von Erpressung, Gewalt und Willkur geworden sind.

Das Angebot aus Berlin: Geld statt Aufnahme

Nach Informationen aus Kreisen des Innenministeriums wurde einigen wartenden Familien ein einmaliger Geldbetrag angeboten – als „freiwillige Ausstiegshilfe“ aus dem Aufnahmeverfahren. Das Ziel: die Zahl der Einreisen nach Deutschland zu begrenzen.

Intern wird das Programm als „Anreiz zur eigenständigen Neuorientierung“ bezeichnet. Nach Medienberichten liegt die Summe zwischen 600 und 1000 Euro pro Person – je nach familiärer Situation.

Doch fur die Betroffenen ist dieses Angebot ein Schlag ins Gesicht. „Wie kann man Menschen, die ihr Leben riskiert haben, Geld bieten, um Schutz aufzugeben?“, fragt ein ehemaliger Dolmetscher, der fur eine westliche Hilfsorganisation gearbeitet hat.

Ein anderer schreibt in einer Sprachnachricht: „Das ist keine Prämie – das ist eine Einladung zum Sterben. Wer zuruck nach Afghanistan geht, riskiert Folter oder Tod.“

Innenministerium unter Druck

Das Innenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) gerät zunehmend unter Druck. Zwar wurde das Programm nie öffentlich angekundigt, doch nach Bekanntwerden uber diplomatische Kanäle wächst die Kritik – auch aus den Reihen der Koalitionsparteien.

Oppositionspolitiker sprechen von einer „menschenrechtlichen Katastrophe“. Grunen-Sprecherin Lisa Paus nannte das Vorgehen „zynisch und moralisch unhaltbar“. Auch Vertreter von Fluchtlingsorganisationen reagierten mit Entsetzen.

„Deutschland hat diesen Menschen Sicherheit versprochen – und bietet ihnen jetzt Geld, um in Gefahr zu bleiben. Das ist ein Bruch des humanitären Prinzips“, sagt der Geschäftsfuhrer von Pro Asyl.

Zwischen Burokratie und Verantwortung

In der Praxis scheitern viele der geplanten Ausreisen an burokratischen Hurden. Visa-Verfahren dauern Monate, manchmal Jahre. Hinzu kommen Sicherheitsprufungen, logistische Probleme und fehlende Flugkapazitäten.

Nach Schätzungen deutscher Diplomaten befinden sich derzeit uber 10.000 Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage in Pakistan. Viele von ihnen leben in provisorischen Unterkunften, ohne medizinische Versorgung, Arbeitserlaubnis oder Schulzugang fur ihre Kinder.

Ein Familienvater aus Kabul berichtet: „Ich habe 2022 erfahren, dass ich nach Deutschland darf. Seitdem warte ich in Islamabad. Jetzt soll ich Geld nehmen und zuruck in den Tod gehen?“

Merz-Regierung unter moralischem Druck

Kanzler Friedrich Merz steht nun vor einer heiklen Entscheidung. Während konservative Kräfte in seiner Regierung auf eine restriktivere Migrationspolitik drängen, wächst der Druck von Menschenrechtsorganisationen und der Öffentlichkeit, das Programm sofort zu stoppen.

Ein Regierungssprecher bestätigte am Montag, dass die Briefe aus Pakistan eingegangen seien. „Der Kanzler nimmt die Anliegen der Betroffenen ernst“, hieß es. Man prufe derzeit „alle rechtlichen und humanitären Aspekte“.

Doch fur viele der Betroffenen könnte jede Verzögerung lebensgefährlich werden. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden allein im vergangenen Jahr mehr als 500 Menschen in Afghanistan wegen angeblicher Zusammenarbeit mit westlichen Organisationen verhaftet oder misshandelt.

„Deutschland darf sein Wort nicht brechen“

Die Unterzeichner des offenen Briefes appellieren eindringlich an die Bundesregierung:

„Wir bitten nicht um Mitleid, sondern um die Einhaltung eines Versprechens. Deutschland hat uns Hoffnung gegeben. Bitte nehmen Sie uns nicht auch diese Hoffnung.“

In Islamabad hoffen die Wartenden auf eine Antwort. Doch die Stille aus Berlin dauert an. Fur viele von ihnen bleibt die Angst, dass sich die Turen endgultig schließen – und mit ihnen der letzte Weg in die Sicherheit.

Ein afghanischer Arzt fasst die Stimmung zusammen:

„Wir wollten nicht reich werden in Deutschland. Wir wollten nur leben.“

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