chreckensnacht im High-Deck-Viertel – Berlin erwacht im Flammenmeer
Berlin-Neukölln. – Ein ohrenbetäubender Knall riss die Bewohner aus dem Schlaf: Gegen 3:28 Uhr am fruhen Donnerstagmorgen erschutterten mehrere Explosionen das Wohngebiet High-Deck-Siedlung im Berliner Stadtteil Neukölln. Innerhalb weniger Minuten stand das Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses am Michael-Bohnen-Ring in Flammen.

Nach Angaben der Feuerwehr wurden 47 Menschen verletzt, darunter eine Person lebensgefährlich. Mindestens sechs weitere mussten mit Rauchvergiftungen in Kliniken eingeliefert werden. Die Polizei und das Landeskriminalamt (LKA) haben die Ermittlungen aufgenommen.

Berlin im Ausnahmezustand – Explosionen reißen Menschen aus dem Schlaf
Die ersten Notrufe gingen kurz nach halb vier ein. Mehrere Anwohner berichteten von „lauten Knallgeräuschen“, gefolgt von einer massiven Feuerwand. „Ich dachte zuerst, ein Auto sei explodiert“, erzählt Bewohnerin Sabine M. (41), die im gegenuberliegenden Block wohnt. „Dann hörte ich Schreie – und uberall splitterte Glas.“

Innerhalb weniger Minuten war die Feuerwehr mit einem Großaufgebot vor Ort. 83 Einsatzkräfte, darunter Spezialisten fur Brandermittlung und Gefahrstoffe, ruckten aus. Als die Löschtrupps das Gebäude betraten, kam es zu weiteren Explosionen – vermutlich durch Gas oder entzundliche Materialien, die sich in den unteren Räumen befanden.
„Wir mussten unsere Teams kurzzeitig zuruckziehen, weil die Gefahr weiterer Detonationen bestand“, erklärte Feuerwehrsprecher Stefan Salzwedel am Morgen. Fenster wurden durch den Druck herausgerissen, Jalousien und Glassplitter flogen meterweit in umliegende Bäume.
Rettung unter Lebensgefahr – Feuerwehrleute bringen Bewohner in Sicherheit
Während das Feuer wutete, begannen die Rettungskräfte mit der Evakuierung. Mehrere Menschen wurden aus dem Haus getragen, ein Mann konnte nur noch mit schwerem Atemschutz aus einer brennenden Wohnung gerettet werden.
„Die Sicht war gleich null – dichter Rauch, Hitze, alles voller Scherben“, berichtet ein Feuerwehrmann, der anonym bleiben möchte. „Wir haben im zweiten Obergeschoss eine Frau mit einem kleinen Kind gefunden. Beide waren völlig panisch, aber zum Gluck unverletzt.“
Ein Teil der Bewohner wurde in einem nahegelegenen Gemeindezentrum untergebracht, wo auch Notfallseelsorger im Einsatz waren.
Großräumige Sperrung – Polizei richtet Krisenstab ein


Kurz nach 5 Uhr morgens war das gesamte Gebiet rund um den Michael-Bohnen-Ring und die Sonnenallee weiträumig abgesperrt. Straßenbahnen und Busse wurden umgeleitet, der Verkehr kam teilweise völlig zum Erliegen.
Polizeikräfte mit Spurhunden durchsuchten das Gebäude nach weiteren Personen und Hinweisen auf die Ursache der Explosion. Die Kriminaltechniker des LKA Berlin nahmen noch in der Nacht ihre Arbeit auf.
„Wir gehen momentan allen Spuren nach“, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstagvormittag. „Derzeit ist unklar, ob es sich um einen technischen Defekt, eine Gasexplosion oder eine vorsätzliche Handlung handelt.“
Zeugen berichten von mehreren lauten Knallen


Einige Anwohner wollen mehr als drei Explosionen gehört haben. „Zuerst ein dumpfer Schlag, dann zwei weitere, kurz hintereinander“, erinnert sich Ahmed R. (29), der in einem Nachbarhaus lebt. „Ich habe sofort meine Kinder geschnappt und bin auf die Straße gerannt. Überall war Rauch.“
Videoaufnahmen, die Anwohner in sozialen Netzwerken teilten, zeigen Flammen, die aus dem Erdgeschossfenster schlagen, und dichte Rauchschwaden, die in den Nachthimmel steigen.
Die Feuerwehr bat jedoch dringend darum, solche Videos nicht weiterzuverbreiten, um die Privatsphäre der Betroffenen zu wahren und die Ermittlungen nicht zu behindern.
Ursache noch unklar – LKA pruft alle Möglichkeiten


Nach ersten Untersuchungen könnte eine Gasleitung oder ein technisches Gerät im Erdgeschoss der Auslöser gewesen sein. Allerdings gibt es bislang keine Bestätigung. Spezialisten des LKA untersuchen derzeit die Trummerreste, um die genaue Explosionsquelle zu identifizieren.
„Wir schließen zum jetzigen Zeitpunkt keine Hypothese aus“, erklärte ein Ermittler. „Auch ein krimineller Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden.“
In Berlin-Neukölln hatte es in den vergangenen Jahren wiederholt kleinere Brände und Explosionen in Wohnhäusern gegeben – oft ausgelöst durch defekte Heizgeräte oder elektrische Kurzschlusse.
Anwohner unter Schock – Hilfe und Solidarität in der Nachbarschaft
Am Morgen bot sich ein Bild der Verwustung: Ausgebrannte Fensterrahmen, Ruß an den Hauswänden, der Geruch von Rauch und geschmolzenem Kunststoff liegt in der Luft. Bewohner stehen fassungslos vor den Absperrungen, viele mit Decken um die Schultern.
„Ich habe alles verloren – meine Wohnung, meine Sachen“, sagt Nina K. (34) mit tränenerstickter Stimme. Sie wurde mitten in der Nacht von Feuerwehrleuten geweckt. „Aber ich bin dankbar, dass ich noch lebe.“
Zahlreiche Nachbarn haben spontan Hilfe angeboten, Kleidung und Lebensmittel gesammelt. Die Stadt Berlin kundigte an, fur die Betroffenen Notunterkunfte bereitzustellen.
Politik reagiert bestürzt


Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zeigte sich tief betroffen:
„Mein Dank gilt den Einsatzkräften, die unter Lebensgefahr Menschen gerettet haben. Unsere Gedanken sind bei den Verletzten und ihren Familien.“
Auch Bezirksburgermeister Martin Hikel (SPD) besuchte am Vormittag den Unglücksort und sprach den Anwohnern sein Mitgefühl aus. „Es ist erschütternd, was hier passiert ist. Neukölln hält in diesen schweren Stunden zusammen.“
Ermittlungen dauern an – Bevölkerung um Ruhe gebeten
Die Polizei bittet alle Zeugen, die in der Nacht etwas Verdächtiges beobachtet oder gefilmt haben, sich zu melden. Hinweise können unter der Berliner Telefonnummer (030) 4664 944 400 gegeben werden.
Die Bevölkerung wird gebeten, die Einsatzkräfte nicht zu behindern und Spekulationen zu vermeiden. „Wir verstehen, dass viele Menschen verunsichert sind“, so die Polizei. „Aber jede Fehlinformation kann unsere Arbeit erschweren.“
Ein Stadtteil in Angst – und Hoffnung
Noch am Vormittag begannen Spezialisten mit der statischen Überprüfung des betroffenen Gebäudes. Teile des Hauses gelten als einsturzgefährdet. Ob die Bewohner bald zurückkehren können, ist unklar.
Viele Menschen im High-Deck-Viertel sind tief getroffen, aber auch dankbar, dass keine weiteren Todesopfer zu beklagen sind. „Das war pures Gluck“, sagt ein Feuerwehrmann. „Bei der Wucht der Explosion hätte es leicht viel schlimmer ausgehen können.“




