Gießen im Ausnahmezustand – Massiver Polizeieinsatz und hitzige Proteste zum AfD-Jugendkongress
Die mittelhessische Stadt Gießen steht an diesem Wochenende im Fokus bundesweiter Aufmerksamkeit. Der geplante Grundungskongress der neuen AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“ hat eine Protestwelle ausgelöst, wie sie die Region seit Jahren nicht erlebt hat. Rund 30 angemeldete Demonstrationen, Tausende Gegendemonstrierende und ein Großaufgebot von etwa 6000 Polizisten verwandeln die Innenstadt in eine Hochsicherheitszone. Hessens Innenminister sprach bereits am Vormittag von einer „herausfordernden Großlage“, die eine enorme Belastung fur alle Einsatzkräfte darstelle.
Schon in den fruhen Morgenstunden war die Lage angespannt. Eine Polizeiabsperrung wurde kurzzeitig von einer Gruppe Demonstrierender durchbrochen, woraufhin die Einsatzkräfte Wasserwerfer einsetzten, um die Menschen zuruckzudrängen. Mehrere Hundert Aktivisten versuchten, Zufahrtswege zum Veranstaltungsort zu blockieren, während sich weitere Gruppen uber die gesamte Innenstadt verteilten. Die Polizei rief wiederholt dazu auf, Abstand zu halten, Durchsagen wurden in kurzen Abständen wiederholt, und immer wieder mussten kleinere Brennpunkte kontrolliert werden.

Währenddessen versammelten sich Vertreterinnen und Vertreter der AfD und ihrer Jugendorganisation im Kongresszentrum der Stadt. Der neue Verband „Generation Deutschland“ soll die im Fruhjahr aufgelöste „Junge Alternative“ ersetzen, nachdem diese durch zunehmende Beobachtung durch den Verfassungsschutz und interne Konflikte massiv unter Druck geraten war. Die AfD selbst spricht von einem „Neustart“, doch fur viele Menschen vor Ort ist dieser Versuch ein weiterer Schritt nach rechts außen.
In der Innenstadt fand gegen Mittag eine große Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds statt, an der mehrere Hundert friedliche Demonstrierende teilnahmen. Auf der Buhne sprachen Vertreter verschiedener Jugendverbände, darunter eine Sprecherin der Verdi-Jugend, die mit deutlichen Worten Kritik an der Veranstaltung und der politischen Ausrichtung der AfD äußerte. Sie sprach von einer „rechtsradikalen, reaktionären Bewegung“, die versuche, jungen Menschen ein „gefährlich verzerrtes Gesellschaftsbild“ zu vermitteln.
„Hier grundet sich nicht einfach irgendein Verein“, rief sie unter Applaus. „Hier sitzen Faschos zusammen, um der neuen AfD-Jugend einen braunen Anstrich zu geben. Wir werden uns nicht wegducken.“ Ihre Ansprache betonte die Sorge vieler Menschen, dass rechte Politik in Deutschland erneut an gesellschaftlichem Einfluss gewinnt – auf Kosten sozialer Gerechtigkeit, fairer Arbeitsbedingungen und demokratischer Grundwerte.
Nach ihren Worten gehe es nicht nur um diesen einen Grundungskongress. Die heutige Demonstration sei zugleich ein symbolisches Zeichen, dass die Zivilgesellschaft wachsam bleibe und nicht bereit sei, Intoleranz und Ausgrenzung hinzunehmen. „Wir alle hier zusammen – wir sind der Widerstand“, sagte die Rednerin. „Wir sind die, die sich widersetzen und nicht weichen werden.“
An verschiedenen Punkten der Stadt war die Lage weniger ruhig. Immer wieder kam es zu kleineren Rangeleien, wenn Demonstrierende versuchten, Polizeiketten zu durchbrechen, um näher an den Tagungsort der AfD zu gelangen. Beamte sprachen mehrfach Platzverweise aus, und mindestens zwei Personen wurden vorubergehend festgenommen. Die Polizei betonte jedoch, dass der uberwiegende Teil der Proteste friedlich verlaufe und man weiterhin auf Deeskalation setze.
Die AfD warf den Demonstrierenden dagegen vor, „demokratische Prozesse blockieren“ zu wollen, und kritisierte den massiven Widerstand gegen eine nach eigener Aussage „legitime Grundungsveranstaltung“. Sprecher der Partei erklärten, man lasse sich „weder einschuchtern noch diktieren, welche politische Jugendorganisation existieren durfe“. Diese Gegenposition verstärkte die ohnehin angespannte Stimmung vor Ort.
Besonders in den Straßen rund um den Kongresssaal wirkte Gießen wie eine Stadt im Belagerungszustand. Gitterzäune, Polizeiwannen, schwer ausgerustete Hundertschaften und der permanente Lärm protestierender Gruppen prägten das Stadtbild. Der öffentliche Nahverkehr war zeitweise eingeschränkt, mehrere Haltestellen wurden aus Sicherheitsgrunden geschlossen, und Geschäfte im unmittelbaren Umfeld blieben vorsorglich geschlossen.

Trotz des hohen Polizeiaufgebots bleibt die Lage unubersichtlich, denn immer wieder verlagern sich Demonstrationszuge spontan von einem Ort zum anderen. Einsatzleitungen sprachen von einer „dynamischen Gesamtlage“, bei der Entscheidungen unter großem Zeitdruck getroffen werden mussten. Gleichzeitig betonen Verantwortliche, all dies geschehe, um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten.
Die Menschen in Gießen stehen zwischen Sorge und Entschlossenheit. Viele Anwohner zeigen sich verunsichert uber die massiven Sicherheitsmaßnahmen. Andere unterstutzen lautstark die Proteste und sehen in ihnen ein Zeichen lebendiger Zivilgesellschaft. Am fruhen Nachmittag kundigten mehrere Gruppen weitere Kundgebungen und Blockaden an, die bis in die Abendstunden fortgesetzt werden sollten.
Fest steht: Der Grundungskongress der neuen AfD-Jugend ist längst mehr als eine interne Parteiveranstaltung. Er hat Gießen zu einem zentralen Schauplatz politischer Auseinandersetzung gemacht, der weit uber die Grenzen Hessens hinaus Aufmerksamkeit erregt. Wie sich die Lage weiterentwickelt, wird in ganz Deutschland aufmerksam verfolgt – und durfte weiter fur kontroverse Diskussionen sorgen.




