Kieler Grune entschuldigen sich nach Abstimmung mit AfD – „Der Fehler liegt eindeutig bei uns“
Kiel – Nach massiver Kritik an einem Beschluss im Kieler Bauausschuss, der durch die Stimmen der AfD zustande gekommen war, hat sich die Grunen-Fraktion öffentlich entschuldigt. Ein Antrag der Grunen zur Umgestaltung einer Straße wurde angenommen – weil neben Grunen, SSW und Linke/Die Partei auch die AfD zustimmte. Der Vorfall löste parteiubergreifend Empörung aus und brachte die Grunen in Erklärungsnot.
Fraktionsvorsitzende Anke Oetken ubernahm am Mittwoch die volle Verantwortung: „Der Fehler liegt eindeutig bei uns“, erklärte sie in einer schriftlichen Mitteilung. „Wir Grunen allein sind fur diesen Vorgang verantwortlich. Es war niemals unsere Absicht, eine gemeinsame Linie mit der AfD zuzulassen oder die SPD in irgendeiner Form in ein falsches Licht zu rucken. Das wird uns nie wieder passieren.“
Die Grunen betonten zugleich ihre klare Abgrenzung zur AfD und bekräftigten ihre Kooperationsbereitschaft mit SPD und CDU in der Kieler Ratsversammlung. „Wir möchten uns ausdrucklich bei SPD und CDU fur unpassende Äußerungen am Rande der emotional aufgeladenen Sitzung entschuldigen“, so Oetken weiter.
Wie es zu dem Eklat kam
Der Auslöser war ein Antrag der Grunen im Bauausschuss, der sich auf die Neugestaltung einer Straße im Kieler Stadtgebiet bezog. Während SPD und CDU gegen den Vorschlag stimmten, votierten vier Vertreter der Grunen sowie die beiden Mitglieder des SSW und der Fraktion Die Linke/Die Partei dafur. Überraschend erhielt der Antrag auch Zustimmung von der AfD, wodurch die Abstimmung mit sieben zu sechs Stimmen angenommen wurde.
Damit hatten die Grunen – wenn auch unbeabsichtigt – erstmals eine Mehrheit mit Hilfe der AfD erzielt.
Scharfe Reaktionen aus allen Parteien
Der Vorgang sorgte umgehend fur scharfe Reaktionen. Vertreter von SPD und CDU warfen den Grunen vor, den Abstimmungsverlauf nicht besser vorbereitet zu haben. CDU-Ratsherr Jan Wohlfarth sagte: „Wenn man keine gemeinsamen Beschlusse mit der AfD fassen will, muss man das im Vorfeld organisieren, damit das nicht passiert. Das ist hier offensichtlich versäumt worden.“
Auch innerhalb der Grunen sorgte der Vorfall fur Selbstkritik. „Wir hätten erkennen mussen, dass unser Antrag möglicherweise von der AfD unterstutzt werden könnte“, sagte ein Fraktionsmitglied, das anonym bleiben wollte. „Dass wir keine Mehrheit ohne sie haben, hätte uns vorsichtiger machen mussen.“
Grune gestehen Kommunikationsfehler ein
Nach dem Eklat zog die Fraktion Konsequenzen. Man wolle kunftig alle Anträge vorab enger mit der SPD abstimmen, um Missverständnisse oder ungewollte Mehrheiten zu vermeiden. Zudem soll ein internes Verfahren entwickelt werden, um Situationen wie diese kunftig auszuschließen.
Anke Oetken sprach von einem „Kommunikationsfehler“ und räumte ein, dass die Abstimmung „politisch unglucklich und menschlich belastend“ gewesen sei. Die Grunen hätten in der Sitzung nicht realisiert, dass die AfD denselben Antrag unterstutzen wurde. „Wir sind uberrascht worden und haben in dem Moment nicht reagiert, wie wir es hätten tun sollen“, sagte sie.
SPD und CDU fordern klare Linie
SPD-Fraktionsvorsitzende Gesa Langfeldt zeigte sich nach der Entschuldigung versöhnlich, mahnte aber Konsequenz an: „Wir nehmen die Entschuldigung an, aber es muss klar sein, dass jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen bleibt – egal ob direkt oder indirekt.“
Auch die CDU-Fraktion forderte ein klares Bekenntnis. „Es darf nie wieder passieren, dass demokratische Parteien auf die Stimmen der AfD angewiesen sind, um Mehrheiten zu schaffen“, sagte Wohlfarth.
Politische Symbolik uber den Einzelfall hinaus
In der Kieler Kommunalpolitik gilt der Fall inzwischen als Lehrstuck uber den Umgang mit der AfD. Viele Beobachter sehen darin ein Beispiel dafur, wie schnell unbeabsichtigte Mehrheiten entstehen können – und wie sensibel demokratische Parteien auf jede Form der Unterstutzung durch rechtsextreme Kräfte reagieren mussen.
Politikwissenschaftlerin Dr. Katharina Wolf von der Universität Kiel ordnet den Fall ein: „Auch wenn keine inhaltliche Kooperation vorlag, zeigt der Vorfall, wie politisch aufgeladen jede Abstimmung mit AfD-Beteiligung ist. Parteien mussen Strategien entwickeln, um solche Situationen zu vermeiden, ohne ihre Handlungsfähigkeit zu verlieren.“
Der Blick nach vorn
Fur die Grunen-Fraktion steht nun Schadensbegrenzung im Mittelpunkt. Der Antrag zur Straßengestaltung soll in einer der nächsten Sitzungen neu eingebracht und abgestimmt werden, um ein eindeutiges demokratisches Votum zu ermöglichen – ohne AfD-Stimmen.
Anke Oetken fasste zusammen: „Wir haben einen Fehler gemacht. Wichtig ist, dass wir daraus lernen. Unsere Werte und unser politischer Kompass bleiben klar: Keine gemeinsame Sache mit der AfD – niemals.“
In Kiel scheint die Episode damit noch nicht abgeschlossen, aber sie hat eines deutlich gemacht: Ein kleiner kommunalpolitischer Antrag kann große politische Wellen schlagen – besonders, wenn er versehentlich uber eine rote Linie hinausgeht.




