Prozess in Aachen: Mann soll uber Jahre seine Frau betäubt, missbraucht und gefilmt haben
Aachen (NRW) – Ein Fall, der selbst erfahrene Ermittler erschuttert: Vor dem Landgericht Aachen steht seit Dienstag der 61-jährige Fernando S., der uber Jahre hinweg seine Ehefrau betäubt, sexuell missbraucht und die Taten auf Video festgehalten haben soll. Die Anklage wirft ihm mehrfache Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und die Verbreitung von Missbrauchsaufnahmen vor.
Laut den Ermittlungen soll der Hausmeister aus der Region Aachen seine Frau zwischen 2009 und Fruhjahr 2024 regelmäßig mit Medikamenten betäubt haben, um sie anschließend zu missbrauchen. In einigen Fällen soll er die Übergriffe gefilmt und die Videos uber Internetplattformen und Messenger-Dienste verbreitet haben.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte die Aufnahmen gezielt in Chatgruppen auf Telegram teilte – Foren, in denen sich Männer austauschten, die ihre Partnerinnen ebenfalls zur Verfugung stellten oder dies planten. Tausende Nutzer sollen dort aktiv gewesen sein. Die Ermittler sprechen von einem „Netzwerk systematischen Missbrauchs“.
Versteckt unter einer Kapuze
Als der Angeklagte am Dienstag den Gerichtssaal betrat, zog er die Kapuze seiner Jacke tief ins Gesicht. Er wirkte gefasst, aber angespannt. Seine Verteidiger erklärten, er werde sich „zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu den Vorwurfen äußern“.
Nach Angaben der Ermittler hatte Fernando S. jahrelang ein Doppelleben gefuhrt. Nach außen ein ruhiger Hausmeister, unauffällig, hilfsbereit – doch hinter verschlossenen Turen soll er seine Ehefrau zur Gefangenen gemacht haben. Die Frau, die in der Nähe von Aachen lebt, war uber Jahre in einer Beziehung voller Angst und Abhängigkeit gefangen.
Parallelen zum Fall Gisele Pelicot
Das Schicksal der Frau erinnert an den grausamen Fall der Französin Gisele Pelicot (72), die von ihrem Mann fast ein Jahrzehnt lang betäubt und von Dutzenden Männern missbraucht wurde. Auch hier spielte der Täter eine entscheidende Rolle in einem Netzwerk, das Missbrauchsvideos verbreitete.
Im Aachener Verfahren sehen Beobachter erschreckende Parallelen: Auch Fernando S. soll seine Frau gezielt mit Schlafmitteln oder Beruhigungstabletten außer Gefecht gesetzt haben, um die Kontrolle uber sie zu behalten. In mehreren Fällen sollen die Taten gefilmt worden sein, während das Opfer bewusstlos war.
Ermittlungen durch Zufall entdeckt
Die Ermittlungen kamen erst ins Rollen, als ausländische Strafverfolger auf verdächtiges Material stießen, das in deutschen Online-Gruppen kursierte. Über internationale Zusammenarbeit gelangten Hinweise schließlich zur Polizei Aachen. Eine Hausdurchsuchung im Fruhjahr 2024 brachte schockierende Beweise ans Licht: Auf den Geräten des Angeklagten fanden sich Hunderte Videodateien sowie Chatverläufe, die den Missbrauch belegten.
Laut Anklage soll Fernando S. uber Jahre hinweg detaillierte Aufnahmen und Anleitungen mit anderen Männern geteilt haben. In einigen Chats prahlte er offen uber seine „Methoden“. Ermittler sprechen von „einem erschutternden Ausmaß an Kälte und Systematik“.
Das Opfer unter Schutz gestellt
Die Ehefrau, die heute Mitte funfzig ist, steht unter psychologischem Schutz und befindet sich an einem geheimen Ort. Sie gilt als Nebenklägerin im Prozess, wird jedoch nicht persönlich im Gericht erscheinen. Ihre Anwältin erklärte: „Meine Mandantin befindet sich in therapeutischer Behandlung. Sie hat uber viele Jahre unter massiver Kontrolle und Gewalt gelebt. Dieser Prozess ist fur sie ein erster Schritt in Richtung Gerechtigkeit.“

Prozess mit hoher Sicherheitsstufe
Das Landgericht Aachen hat den Prozess unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen angesetzt. Der Fall gilt als einer der schwersten Missbrauchskomplexe in Nordrhein-Westfalen der letzten Jahre. Der Vorsitzende Richter betonte zu Beginn, dass das Verfahren „mit größter Sensibilität, aber auch mit der gebotenen Härte“ gefuhrt werde.
Fur die Beweisaufnahme sind zunächst mehr als zwanzig Verhandlungstage angesetzt. Zahlreiche digitale Beweise mussen ausgewertet, IT-Experten und Ermittler aus mehreren Ländern angehört werden.
Psychiatrisches Gutachten geplant
Ein psychiatrisches Gutachten soll klären, ob der Angeklagte schuldfähig ist. Erste Einschätzungen deuten darauf hin, dass er bei vollem Bewusstsein und mit klarem Vorsatz gehandelt hat.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Sollte das Gericht die Anklagepunkte bestätigen, wäre dies eines der härtesten Urteile gegen einen Einzeltäter wegen häuslichen und digitalen Missbrauchs in der jungeren deutschen Justizgeschichte.
Der Fall hat bundesweit Entsetzen ausgelöst – nicht nur wegen der Brutalität der Taten, sondern auch, weil er zeigt, wie digitale Plattformen zum Tatwerkzeug schwerster Gewalt werden können.
Während der Angeklagte schweigt, hoffen Ermittler und Opfervertreter, dass der Prozess Licht in ein System aus Macht, Abhängigkeit und digitalem Missbrauch bringt – und dass Gerechtigkeit endlich möglich wird.




