„Ich schieße Euch alle ab“ – Lehrer schlagen Alarm uber unhaltbare Zustände an Ludwigshafener Realschule
Ludwigshafen – Was sich an der Karolina-Burger-Realschule Plus im Stadtteil Mundenheim abspielt, klingt wie das Drehbuch eines Albtraums. Lehrer berichten von Gewalt, Drohungen, Polizeieinsätzen und chaotischen Zuständen, die den Unterricht nahezu unmöglich machen. In einem internen Brief, der an Schulbehörden und die Stadtverwaltung ging, schildern Pädagogen ihre Verzweiflung – und richten einen dramatischen Hilferuf an die Öffentlichkeit.
„Ich schieße Euch alle ab“ – solche Drohungen sollen laut dem Schreiben kein Einzelfall mehr sein. Beleidigungen, Handgreiflichkeiten, zerstörte Klassenzimmer und mangelnder Respekt seien an der Tagesordnung. Der Ton sei rau, der Alltag fur Lehrer wie Schuler gleichermaßen belastend. Mehrfach musste die Polizei in den vergangenen Monaten zu Einsätzen auf dem Schulgelände ausrucken.
Erneuter Amok-Alarm
Am 29. Oktober kam es erneut zu einem Großeinsatz der Polizei. Laut der offiziellen Mitteilung handelte es sich um einen Einsatz wegen einer „bewaffneten Person auf dem Schulgelände“. Beamte ruckten mit mehreren Streifenwagen an, durchsuchten das Gelände und evakuierten das Gebäude. Zwar konnte keine reale Gefährdung festgestellt werden, doch der Unterricht fiel am Folgetag vollständig aus. Es war bereits der zweite Amok-Alarm innerhalb kurzer Zeit.
Lehrer und Eltern sprechen von einer Atmosphäre der Angst. Viele Schuler seien psychisch stark belastet, einige Lehrer hätten sich krankgemeldet oder uber Versetzungen nachgedacht. Eine Lehrkraft, die anonym bleiben möchte, sagt: „Wir kommen hier jeden Tag mit der Angst zur Arbeit. Niemand weiß, was als Nächstes passiert.“
Gewalt und Eskalation als Alltag
Wie der Mannheimer Morgen berichtet, ist die Lage seit Jahren angespannt. Im Mai hatte eine 16-jährige Schulerin eine Lehrerin mit einem Messer bedroht. Gegen die Jugendliche läuft im Dezember ein Sicherungsverfahren wegen versuchten Totschlags. Bereits 2018 ruckte das Sondereinsatzkommando (SEK) an, nachdem ein 14-jähriger Schuler mit einer Pistole in der Nähe der Schule gesehen worden war. Die Waffe stellte sich später als Attrappe heraus – doch die Angst war real.
Zwischen 2022 und 2024 registrierte das Polizeipräsidium 121 Vorfälle, davon 118 mit Strafanzeigen. Dabei ging es um Körperverletzungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen und sogar Drogenfunde. Ein Polizeisprecher bezeichnete die Schule gegenuber Medien als „Brennpunkt mit außergewöhnlich hohem Einsatzaufkommen“.

Lehrerbrief als Hilferuf
In ihrem Brief beklagen die Lehrer nicht nur Gewalt, sondern auch katastrophale Zustände im Schulgebäude. Sanitäranlagen seien verschmutzt, Fenster defekt, und der Schulhof vermullt. Zudem fehle es an Personal: Sozialarbeiter, Psychologen und Schulbegleiter seien uberlastet. „Wir fuhlen uns allein gelassen“, heißt es in dem Schreiben. „Wir brauchen sofortige Unterstutzung, bevor etwas Schlimmes passiert.“
Die Lehrervertretung Rheinland-Pfalz forderte daraufhin ein Krisentreffen. „Hier zeigt sich das Ergebnis jahrelanger Vernachlässigung durch die Politik“, sagte ein Sprecher. Die Schule benötige dringend mehr Sicherheitspersonal und eine psychologische Notfallbetreuung.
Reaktionen aus der Politik
Auch aus der Landespolitik kommt scharfe Kritik. Die CDU nannte die Zustände einen „absoluten Skandal“. Fraktionschef Christian Baldauf erklärte: „Wenn Lehrer um ihr Leben furchten mussen, ist das kein Arbeitsplatz mehr, sondern ein Krisengebiet. Das Bildungsministerium darf hier nicht länger zusehen.“
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) versprach, sich ein Bild vor Ort zu machen. Man nehme die Sorgen der Lehrkräfte „sehr ernst“ und prufe „kurzfristige Maßnahmen“ zur Verbesserung der Sicherheit.
Angst bleibt – Hoffnung gering
Trotz der Zusagen bleibt die Stimmung an der Schule gedruckt. Viele Eltern uberlegen, ihre Kinder an andere Schulen zu schicken. „Ich habe Angst, meinen Sohn morgens hier abzugeben“, sagt eine Mutter. „Man weiß nie, was passiert.“
Fur die Lehrer bleibt der Brief ein verzweifelter Versuch, endlich Gehör zu finden. „Wir wollen keine Schlagzeilen, wir wollen Hilfe“, sagt einer von ihnen. „Aber wenn niemand reagiert, wird irgendwann etwas passieren, das nicht mehr ruckgängig zu machen ist.“




