Drei Tage Stillstand: Belgien steht vor massiven Streiks – Gewerkschaften erhöhen den Druck auf die Regierung
Ein landesweiter Aufruf zum Widerstand
Nach der Großdemonstration der vergangenen Woche, an der uber 80.000 Menschen teilgenommen hatten, folgt nun die nächste Eskalationsstufe.
Am 24. November werden die Eisenbahner den Anfang machen, am 25. November folgen sämtliche öffentlichen Dienste – von der Post uber die Verwaltung bis zu den kommunalen Betrieben. Der Höhepunkt soll am 26. November mit einem nationalen Generalstreik erreicht werden.
Die drei Gewerkschaften bezeichnen die dreitägige Aktion als ein „kraftvolles Signal an die Regierung, die soziale Demontage zu stoppen“. Ein Brief an Premierminister Bart De Wever und die Vizepremiers blieb bislang unbeantwortet.

Unmut uber Rentenpläne und drohende Indexsprunge
Der Unmut richtet sich vor allem gegen die geplanten Einschnitte bei den Renten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Diskussion um eine mögliche „Indexsprong“ – das Aussetzen der automatischen Lohnanpassung an die Inflation.
„Die Chaos rund um die Rentenreform ist mittlerweile enorm“, erklärten die Gewerkschaften in einem gemeinsamen Statement. „Mehr als die Hälfte der Frauen in Belgien wird von der sogenannten Rentenmalus betroffen sein.“
Zudem werfen sie der Regierung vor, die Arbeitszeiten weiter flexibilisieren und soziale Schutzmechanismen aushöhlen zu wollen. Diese Maßnahmen seien „nicht nur unsozial, sondern auch kontraproduktiv fur die Wirtschaft“.
„Wir brauchen ein faires Steuersystem“
Die Gewerkschaften verweisen auf Alternativen: Eine gerechtere Vermögensbesteuerung, eine Digitalsteuer fur internationale Technologiekonzerne und eine umfassende Überprufung der milliardenschweren Unternehmenssubventionen.
„Es kann nicht sein, dass Arbeiter und Angestellte die Hauptlast tragen, während Großunternehmen von steuerlichen Vorteilen profitieren“, heißt es seitens des ABVV.
Gert Truyens, Vorsitzender der liberalen Gewerkschaft ACLVB, fordert endlich ein klares Signal aus der Politik:
„Wir wissen, dass Reformen nötig sind. Aber die derzeitigen Vorschläge sind sozial nicht tragbar.“

Bruch im sozialen Dialog
Truyens kritisiert insbesondere das Verhalten von Premier De Wever. Noch vor wenigen Wochen hätten Gewerkschaften und Arbeitgeber zugestimmt, das bestehende Index- und Lohnsystem bis Ende nächsten Jahres zu uberprufen. „Wenn der Premier dann anderthalb Wochen später plötzlich eine Indexsprong vorschlägt, ist das schlicht nicht mehr ernst zu nehmen“, so Truyens.
Sollten die November-Aktionen keinen Erfolg bringen, kundigt er an, das Protestprogramm im Fruhjahr fortzusetzen. „Aber noch ist es nicht zu spät, den Kurs zu korrigieren.“
Scharfe Reaktionen aus der Wirtschaft
Die Arbeitgeberseite reagierte empört. Der Technologieverband Agoria sprach von einem „gefährlichen Wettlauf nach unten“.
„Das ist keine verantwortungsvolle Machtdemonstration, sondern ein selbstzerstörerisches Aufbäumen“, sagte Agoria-CEO Bart Steukers. „Solche Aktionen schrecken Investoren ab und gefährden Arbeitsplätze.“
Auch das Neutraal Syndicaat voor Zelfstandigen (NSZ) schlägt Alarm: Kleine und mittlere Unternehmen seien die „unsichtbaren Opfer“ der Streikwelle.
„Jeder nationale Aktionstag kostet die belgische Wirtschaft Dutzende Millionen Euro. Fur Selbstständige kann schon eine blockierte Lieferung eine ganze Woche ruinieren“, warnt das NSZ.
Ein Land zwischen Wut und Warnung
Während die Regierung bislang schweigt, wächst die Spannung im Land. Pendler, Eltern und Unternehmen bereiten sich auf Tage voller Stillstand und Unsicherheit vor.
Die Gewerkschaften wollen mit ihren Aktionen eine Wende erzwingen – hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Ob ihnen das gelingt, wird sich Ende November zeigen.
Eines ist schon jetzt klar: Belgien steht vor einem entscheidenden Moment zwischen Reformdruck, sozialer Wut und politischer Verantwortung.




