„Das geht Sie einen feuchten Kehricht an“ – Schröder poltert im U‑Ausschuss zu Nord Stream 2
Am Freitagvormittag fand im Landtag von Mecklenburg‑Vorpommern eine der wohl letzten großen öffentlichen Auftritte von Altkanzler Gerhard Schröder vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss statt. Der Anlass: die Rolle Schröders im Zusammenhang mit dem Bau der Ostsee‑Erdgasleitung Nord Stream 2 und der Grundung der Klimaschutzstiftung MV, die im Fokus der Ermittlungen steht. Schon vorab war erwartet worden, dass der 81-Jährige – angeschlagen durch gesundheitliche Probleme im Fruhjahr – sich eher defensiv verhalten wurde. Doch der Live‑Auftritt offenbarte stattdessen eine Mischung aus Trotz, Abwehr und provokativen Angriffen.
Schröder war nicht persönlich im Saal präsent, sondern zugeschaltet aus seinem Buro in Hannover – aus Rucksicht auf seinen gesundheitlichen Zustand nach einer Burn‑out‑Erkrankung. Dennoch wirkte er uber weite Strecken präsent und verbal agil. Zu Beginn wirkte er zunächst gewohnt gelassen, beantwortete Fragen freundlich und mit einiger Leichtigkeit. Doch je mehr Detailfragen gestellt wurden, umso schneller verfinsterte sich sein Ton – schließlich wurde er direkt deutlich:
„Herr Vorsitzender, können Sie diesen Mist beenden?“
„Das geht Sie einen feuchten Kehricht an.“
Bei Fragen, die seiner Ansicht nach zu kleinteilig oder zu abwegig waren – etwa zu Gäste- oder Gesprächslisten vergangener Jahre – zeigte Schröder fruh eine Abwehrhaltung: Er gab oft an, sich nicht erinnern zu können, verwies auf Erinnerungslucken oder erklärte manche Anfragen schlicht zu obskur. „Was soll dieser Unsinn?“, lautete eine typische Replik, wenn er die Relevanz einer Frage infrage stellte.
Inhaltlich weitgehend bekannte Positionen – mit scharfer Abwehr
Ein Großteil seiner Aussagen konzentrierte sich darauf, seine Rolle beim Projekt Nord Stream 2 und bei der Klimaschutzstiftung zu rechtfertigen. Er verteidigte den Bau der Pipeline als strategisch notwendige Energiepolitik seiner damaligen Regierung und bezeichnete die Stiftung als „durchdachtes Instrument“, um Sanktionen zu umgehen. Er betonte wiederholt, dass Deutschland den Übergang von Kernenergie und Kohle auf Gas vollziehen wollte, und dass gunstige Gaslieferungen – dazu sollte die Pipeline dienen – im Interesse der Bundesrepublik lagen.
Doch trotz dieser bekannten Argumente war der Erkenntnisgewinn uberschaubar. Der Ausschuss wollte mehr zu den Einflussnahmen, zu Kontakten mit russischen Akteuren, Genehmigungsverfahren und zur tatsächlichen Verantwortlichkeit wissen – Schröder wies solche Ruckfragen oft ab oder verwies auf Zuständigkeiten anderer.
Ein politischer Beobachter merkte an, dass sein Auftritt eher einer Show glich: Trotz vieler Fragen blieb vieles im Nebulösen. Doch der Unterhaltungswert war hoch: Der Altkanzler, in vielen Medien bereits als schwer krank diagnostiziert, präsentierte sich uberraschend widerstandsfähig, ja sogar schlagfertig.
Stil, Wirkung und öffentliche Wahrnehmung
Auch sein Affront gegenuber dem Ausschuss – mit Ausrufen wie „diesen Mist beenden“ – sorgte fur Schlagzeilen. Wer Schröder kennt, weiß: Er scheut nicht davor zuruck, Missstimmungen offen auszudrucken. In diesem Fall sendete er gleich mehrere Botschaften: Je mehr drängende Fragen, desto aggressiver die Abwehr – und je stärker sein Eindruck, hier unangenehm befragt zu werden, desto deutlicher sein Wunsch, das Ganze schnell zu beenden.
Fur manche war dieser Stil ein Indiz fur Frustration oder Schwäche; fur andere wiederum eine kalkulierte Strategie: Abwehr durch Provokation, Erinnerungslucken und das Hin- und Herschieben von Verantwortung.
Ein weiterer Aspekt: Schröders Fähigkeit, sich verbal zu wehren, auch in einem formalen Untersuchungskontext, zeigt, dass er sich trotz gesundheitlicher Ruckschläge keineswegs als alter Mann betrachten lässt. Fur viele bleibt er ein gewohnt unbequemer Charakter – und hat seinen Auftritt gleichwohl als Inszenierung genutzt.

Ausblick & Einschätzung
Der Untersuchungsausschuss hat mit Schröders Vernehmung einen zentralen Zeugen gehört – doch greifbare Enthullungen blieben aus. Es bleibt abzuwarten, wie weit die weiteren geladenen Persönlichkeiten (unter anderem fruhere Regierungsmitglieder) bereit sind, uber ihre Rolle im Nord‑Stream‑Kontext auszusagen.
Ungeachtet dessen stärkt Schröders heutiger Auftritt dessen öffentliche Präsenz: Er bleibt relevant, polarisierend, streitbar. Die Boulevardmedien werden seine beruchtigte Antwort „Das geht Sie einen feuchten Kehricht an“ noch lange referenzieren. Und fur viele ist klar: Dieser Auftritt war nicht nur politisches Gezerre, sondern ein dramatisches Kapitel in der Nachgeschichte von Nord Stream 2 – mit Schröder in der Hauptrolle.




