Mobbing, Sexismus, Machtmissbrauch – Eine Ärztin bricht das Schweigen
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Mobbing, Sexismus, Machtmissbrauch – Eine Ärztin bricht das Schweigen

Mobbing, Sexismus, Machtmissbrauch – Eine Ärztin bricht das Schweigen

An deutschen Kliniken herrscht ein Klima der Angst – das zeigt eine aktuelle Umfrage des Marburger Bundes: 87 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte haben bereits Machtmissbrauch erlebt. Viele von ihnen berichten von Mobbing, sexistischen oder sogar rassistischen Kommentaren. Doch die meisten schweigen – aus Angst vor beruflichen Konsequenzen. Eine, die nicht länger schweigen will, ist Dr. Kara Krajewski, Neurochirurgin aus Hamburg. Mit ihrer Petition „Gegen Machtmissbrauch in der Medizin“ geht sie jetzt an die Öffentlichkeit – und stößt damit eine längst überfällige Debatte an.

„Ich konnte nicht mehr zusehen“

Dr. Kara Krajewski, 43 Jahre alt, arbeitete viele Jahre in verschiedenen Kliniken, unter anderem auch am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Was sie dort und anderswo erlebte, beschreibt sie als „strukturelle Gewalt unter dem Deckmantel von Hierarchie und Autorität“. Immer wieder beobachtete sie, wie Kolleginnen und Kollegen systematisch herabgewürdigt, übergangen oder eingeschüchtert wurden.

„Ich konnte nicht mehr zusehen, wie fähige Ärztinnen und Ärzte psychisch kaputtgemacht werden“, sagt sie in einem Interview. Viele würden ihre Stellen aufgeben oder innerlich kündigen, weil sie die Demütigungen nicht länger ertragen.

Die Vorwürfe reichen von sexistischen Sprüchen und rassistischen Kommentaren bis hin zu offener Schikane durch Vorgesetzte. Oft werde Druck ausgeübt, Nachtdienste ohne Pause zu absolvieren oder Fehler auf sich zu nehmen, um die Karriere von Chefärzten zu schützen. „Das ist kein Einzelfall, sondern ein Systemproblem“, betont Krajewski.

Eine Petition, die Wellen schlägt

Vor wenigen Wochen startete Dr. Krajewski auf Change.org ihre Petition „Gegen Machtmissbrauch in der Medizin“. Innerhalb von nur 14 Tagen unterschrieben rund 2.500 Menschen – Ärztinnen, Pflegekräfte, Studierende und Patienten. Inzwischen wächst die Zahl täglich weiter.

In der Petition fordert sie unter anderem:

  • Unabhängige Meldestellen für Fälle von Mobbing, Diskriminierung und Machtmissbrauch in Kliniken.

  • Besseren rechtlichen Schutz für Betroffene, die Missstände melden.

  • Verpflichtende Schulungen für Führungspersonal, um respektvolle Kommunikation und Diversität zu fördern.

  • Eine Kultur, in der Fehler offen angesprochen werden dürfen, ohne dass Mitarbeitende Repressalien fürchten müssen.

„Wir brauchen ein System, das Menschen schützt – nicht Strukturen, die Täter belohnen“, schreibt sie in ihrem Petitionstext.

Die Resonanz in sozialen Medien ist überwältigend: Zahlreiche Ärztinnen und Ärzte berichten anonym über ähnliche Erfahrungen. Viele bedanken sich bei ihr für ihren Mut und nennen sie eine „Stimme für all jene, die aus Angst still bleiben mussten“.

Ein strukturelles Problem

Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Mobbing und Machtmissbrauch in der Medizin weit verbreitet sind. Laut einer Studie des Marburger Bundes aus dem Jahr 2024 gaben 87 Prozent der Befragten an, in ihrem Berufsleben mindestens einmal Machtmissbrauch erlebt zu haben – häufig in Form von Einschüchterung, Bloßstellung oder unfaire Arbeitsverteilung. Besonders betroffen seien Ärztinnen, Ärzt:innen mit Migrationshintergrund und junge Assistenzärzte.

Die Ursachen liegen tief: starre Hierarchien, Leistungsdruck, Personalmangel und ein Ausbildungssystem, das Abhängigkeiten fördert. „Wer Karriere machen will, darf sich keine Feinde machen – also schweigen viele“, erklärt ein anonymer Oberarzt in der MOPO. Dieses Schweigen ermögliche es jedoch, dass Missstände bestehen bleiben.

Dr. Krajewski betont, dass es ihr nicht um persönliche Rache gehe, sondern um Veränderung. „Ich liebe meinen Beruf, aber das System ist krank. Wir müssen heilen, was uns krank macht.“

Reaktionen aus der Fachwelt

Ihre Aktion bleibt nicht unbemerkt. Vertreter des Marburger Bundes begrüßen die Initiative und fordern eine „ehrliche Debatte über Machtkultur im Klinikbetrieb“. Auch einige Politikerinnen aus Hamburg haben bereits ihre Unterstützung signalisiert.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erklärte auf Anfrage, man nehme die Vorwürfe ernst und arbeite kontinuierlich an Strukturen, die „ein respektvolles und faires Arbeitsumfeld“ sichern sollen. Konkrete Stellungnahmen zum Fall Krajewski wurden jedoch bislang nicht abgegeben.

Medizinethiker warnen, dass Mobbing und Druck im Klinikalltag nicht nur das Personal, sondern auch die Patientensicherheit gefährden: „Wer in Angst arbeitet, macht eher Fehler“, sagt Prof. Dr. Sabine Müller von der Universität Kiel.

„Wir müssen den Mut finden, uns zu wehren“

Für Dr. Kara Krajewski ist der Weg an die Öffentlichkeit ein Risiko – doch sie bereut es nicht. Auf Instagram und in Interviews ruft sie Kolleginnen und Kollegen auf, sich zu solidarisieren. „Wir müssen den Mut finden, uns zu wehren. Niemand sollte Angst haben, am Arbeitsplatz Mensch zu sein.“

Ihr Engagement zeigt: Veränderung beginnt mit einer Stimme. Und vielleicht ist diese Stimme der Anfang eines längst überfälligen Wandels im deutschen Gesundheitssystem.

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