„Wie Tiere“: Flüchtlinge protestieren gegen Zustände in Hamburger Unterkunft – Sicherheitschef abgelöst
„Wie Tiere“: Flüchtlinge protestieren gegen Zustände in Hamburger Unterkunft – Sicherheitschef abgelöst
In Hamburg-Neuland haben sich am vergangenen Sonntag dramatische Szenen abgespielt – oder zumindest solche, die zunächst danach klangen. Der Sicherheitschef der Flüchtlingsunterkunft an der Schlachthofstraße alarmierte die Polizei und meldete eine körperliche Auseinandersetzung zwischen rund 150 Personen. Vor Ort zeigte sich jedoch ein völlig anderes Bild: keine Verletzten, keine Gewalt, sondern ein friedlicher Protest von Bewohnerinnen und Bewohnern, die auf unhaltbare Zustände aufmerksam machen wollten.
Was als vermeintlicher „Aufstand“ gemeldet wurde, entpuppte sich als Hilferuf – und dieser hat nun Konsequenzen.

Kritik an katastrophalen Lebensbedingungen
Die Unterkunft in der Schlachthofstraße, betrieben vom Deutschen Roten Kreuz (DRK Hamburg-Harburg) in Zusammenarbeit mit „Fördern & Wohnen“, ist eigentlich für rund 1.200 Menschen ausgelegt. Derzeit leben dort etwa 450 Geflüchtete – viele von ihnen seit Monaten oder sogar Jahren. Die Kritik an den Zuständen ist jedoch nicht neu: Immer wieder haben Bewohnerinnen und Bewohner über mangelnde Privatsphäre, defekte Heizungen, kaputte Duschen und unhygienische Sanitäranlagen geklagt.
Die Lebensbedingungen sind schlicht menschenunwürdig, sagen viele Betroffene. Bis zu zwölf Personen müssen sich einen Raum teilen, getrennt nur durch dünne Holz- oder Kunststoffwände. In den kalten Monaten kommt es regelmäßig zu Heizungsausfällen, und warme Duschen seien laut Aussagen von Bewohnern eher die Ausnahme als die Regel. Toiletten und Waschcontainer befinden sich außerhalb der Halle – ein tägliches Problem, besonders für Kinder und ältere Menschen.
Ein Bewohner beschreibt es so: „Wir leben hier wie Tiere. Wir haben keine Privatsphäre, keine Wärme, keine Ruhe. Wenn wir uns beschweren, droht man uns mit Konsequenzen.“
Der Protest – und ein falscher Alarm

Am Sonntag versammelten sich rund 200 Bewohnerinnen und Bewohner sowie Unterstützerinnen und Unterstützer vor der Unterkunft. Sie forderten bessere hygienische Bedingungen, funktionierende Heizungen und einen respektvollen Umgang seitens des Sicherheitspersonals.
Doch anstatt auf die Anliegen einzugehen, reagierte der Sicherheitschef mit einem drastischen Schritt: Er rief die Polizei und meldete eine „Massenschlägerei“. Etwa 20 Streifenwagen rückten an, doch die Polizei fand keine Anzeichen einer Gewalttat. Die Situation blieb ruhig und friedlich – von einer Eskalation konnte keine Rede sein.
Die Polizei bestätigte später, dass keine Verletzten und keine strafbaren Handlungen festgestellt wurden. Viele Beobachter sahen in dem überzogenen Einsatz ein Symptom tiefer liegender Probleme: mangelndes Vertrauen, ungleiche Machtverhältnisse und Kommunikationsversagen zwischen Bewohnern und Verantwortlichen.
Reaktionen und Konsequenzen


Nach der Überprüfung der Vorfälle wurde der Sicherheitschef inzwischen abgelöst. Das Deutsche Rote Kreuz kündigte an, den Vorfall gründlich aufzuarbeiten und die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst zu überprüfen. In einer Stellungnahme erklärte das DRK, man nehme die Beschwerden sehr ernst und arbeite bereits an Verbesserungen bei Heizung, Sanitäranlagen und interner Kommunikation.
Die Bewohnerinnen und Bewohner begrüßten zwar die Ablösung des Sicherheitschefs, fordern jedoch mehr: eine unabhängige Untersuchung, verbindliche Standards für Unterkünfte und vor allem den respektvollen Umgang mit allen Menschen – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus.
Unterstützung erhielten sie auch von der Hamburger Linkspartei. Deren Abgeordnete kritisierten die Zustände scharf und forderten die Stadt auf, „endlich menschenwürdige Standards in allen Flüchtlingsunterkünften“ sicherzustellen. Auch Initiativen und Nachbarschaftsgruppen aus dem Stadtteil Harburg zeigten Solidarität mit den Protestierenden.
Ein Symbol für strukturelle Missstände

Der Fall an der Schlachthofstraße steht exemplarisch für die Herausforderungen der Flüchtlingspolitik in Deutschland: überfüllte Notunterkünfte, Personalmangel, unzureichende Betreuung und ein Sicherheitsapparat, der oft mehr auf Kontrolle als auf Menschlichkeit setzt.
Viele Expertinnen und Experten mahnen, dass solche Einrichtungen eigentlich nur als kurzfristige Notlösung gedacht waren – inzwischen aber zu Dauerunterkünften geworden sind. Damit verbunden sind soziale Spannungen, psychische Belastungen und ein wachsendes Gefühl der Ohnmacht unter den Bewohnern.
Fazit
Was am Sonntag in Hamburg-Neuland geschah, ist mehr als nur ein Missverständnis zwischen Sicherheitsdienst und Bewohnern. Es ist ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die Menschen auf der Flucht oft am Rande hält – unsichtbar, ohne Stimme, ohne Würde.
Der Protest war friedlich, aber seine Botschaft war laut und klar:
Menschenwürde ist kein Privileg, sondern ein Recht. Und wenn Menschen sagen, sie lebten „wie Tiere“, dann ist das kein Aufruf zur Empörung – sondern ein dringender Appell, endlich hinzusehen und zu handeln.




